DIE JÜDISCHE GEMEINDE IN MEMMELSDORF
Im heutigen Unterfranken lebten um 1800 rund 13.000 „Schutzjuden“ in 146 Ortschaften, davon 71 Prozent auf Territorien der Reichsritterschaft*. Diese Grundherren erlaubten die Ansiedlung von Juden nicht nur aus Nächstenliebe. Sie bot neben wirtschaftlichen Vorteilen (u.a. höhere Steuern und Zusatzabgaben für Juden) auch die Möglichkeit, gegenüber größeren Territorialherren politische Unabhängigkeit zu demonstrieren. Durch die Aufnahme von Juden wurde zudem die Zahl der Steuerpflichtigen erhöht.
Im Landkreis Hassberge finden sich an 29 Orten mehr oder weniger gut erhaltene Hinweise auf die lange Tradition jüdischer Gemeinden in dieser Region. Die jüdischen Gemeinden oder Siedlungen in den Hassbergen wurden entweder bis Anfang des 20. Jahrhunderts wegen zu geringer Mitgliederzahlen aufgelöst oder durch systematische Vertreibung/Ermordung ihrer Mitglieder nach 1933 zerstört. Neugründungen nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nicht.

Am Beispiel Memmelsdorf lassen sich Geschichte und Entwicklung des fränkischen Landjudentums mit einem Schwerpunkt in den Haßbergen von der Mitte des 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verdeutlichen.
Seit dem 16. Jahrhundert hatte die Familie von Lichtenstein das Patronat über Memmelsdorf, ihr Sitz befand sich im "Schlösslein" nahe der Alsterbrücke. 1653 wird erstmals die Familie von Buttlar in Memmelsdorf erwähnt. Junker Sylvester von Buttlar bewohnte ein Anwesen am Ende der heutigen Schlossgasse. Dazu gehörte ein großer Garten zwischen der heutigen Schloss- und Judengasse. An dessen östlichem Ende ließ von Buttlar mehrere Häuser für Juden errichten. Die Bewohner waren von jeder Brunnen-, Brücken- und Gemeindefron befreit, mussten jedoch jährlich einen halben Gulden in die Gemeindekasse zahlen.
Mit dem reichsunmittelbaren Rittergut zu Gereuth erwarb der Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau am 29. Januar 1705 den Grundbesitz der Familien von Buttlar und von Lichtenstein. In der Dorfchronik werden die von Greiffenclau in Folge als Schutzherren der Memmelsdorfer Juden genannt. Lothar von Greiffenclau gestattete 1728 auch den Bau der Synagoge. Daran erinnert die "Greifenklaue" in einem Fenstergitter an der Ostwand, die der Helmzier derer von Greiffenclau entnommen ist.
Die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde in Memmelsdorf wuchs stetig. 1813 erreichte die Gemeinde mit 240 Personen (rund die Hälfte der Gesamtbevölkerung) ihren Höchststand. 1861 wurde die seit dem Bayerischen Judenedikt von 1813 gültige Wohnortbeschränkung für Juden aufgehoben, welche die Anzahl jüdischer Haushalte pro Gemeinde streng reglementiert hatte. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sank daher auch in Memmelsdorf die Anzahl der jüdischen Einwohner als Folge von Auswanderung oder Abwanderung in größere Städte.
Zwischen November 1819 und Mai 1912 unterhielt die jüdische Gemeinde eine eigene Volksschule, die wegen sinkender Schülerzahlen geschlossen wurde.
1835 errichteten die Memmelsdorfer Juden auf einer Anhöhe nördlich des Dorfes einen eigenen Friedhof. Zuvor mussten die Toten auf dem jüdischen Friedhof in Ebern beerdigt werden.
Fünf Memmelsdorfer Juden fielen im Ersten Weltkrieg oder gelten als vermisst. 1933 lebten noch 25 Juden in Memmelsdorf, die rechtzeitig auswandern konnten oder zwangsweise ins Jüdische Altersheim nach Würzburg übersiedeln mussten. 1939 verließen die letzten Juden den Ort. 17 Memmelsdorfer Juden wurden von ihren neuen Wohnorten deportiert und in Konzentrationslagern ermordet. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte kein Jude nach Memmelsdorf zurück.